Phelotom XXXVIII

von phelotom

War sofort auf ihn aufmerksam geworden. Angegraute Locken, beige Jacke, nachlässige Jeans, eigentlich die perfekte Tarnung für einen Verrenteten, aber dazu war er zu wach, und das ließ nur einen Schluss zu: Hat etwas zu verbergen, zu verteidigen – er ging ziemlich zielstrebig zum Automaten für Bücherrückgabe, ich folgte ihm, schmal, unauffällig, aber nicht unauffällig genug. Er knurrt über die Schulter: Funktioniert nicht! – erwischt. Auch ich halte wie blöd meine Bücher vor den Scanner, nur um ihm kurz darauf zur Bedienungstheke hinterherzuwatscheln.
Ausgerechnet jetzt, wo der Rückgabeautomat defekt ist, muss die eine Servicetante mit einer bildungsbürgerlichen Mutti smalltalken, die beiden Töchter schmuck daneben platziert, so small ist der Talk also doch nicht, fast kein Platz mehr für die Bücher, das kennt man ja aus dem Alltag, aber hier, in der Bibliothek, im Tempel der – Akademikerkinder?! Die Schlange vor mir wird allmählich von der anderen Dame bedient, windet sich hinweg und in die Regale.
Knurrhahn hat sich direkt vor mich gepflanzt, ich blicke ihm über die Schulter, als er seine sechs Bücher zurückgibt, ich erkenne nur eins von ihnen und erstarre in plötzlicher Erkenntnis. Deshalb die zerstrubbelten Haare, deswegen die Kleidung, das Knurren, die misstrauische Wachsamkeit! Ein Arno-Schmidt-Leser! Ein Zweiter, verloren unter dem Gemensch in diesem Haus, fehlgeleitet in den Straßen dieser Stadt, ein Verirrter in diesem Land, ein Zweiter! Meine Segenswünsche begleiten ihn, als er sich von den Menschen ab- und den Büchern zuwendet, und plötzlich verstehe ich diesen Hauch von Schnaps und billigen Minzkaugummis in der Luft, als ich wie paralysiert mein überfälliges Brandmal zurückgebe.